Meine Multihalle –
Ein Gespräch mit Mannheims Oberbürgermeister
Dr. Peter Kurz

Als die Multihalle 1975 erbaut wurde, war der heutige Mannheimer Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz noch zu jung, um ihre Architektur zu bewundern. Über 40 Jahre später erklärt er im Interview, welchen persönlichen Bezug er heute zur Multihalle hat – und warum ihre Sanierung eine wichtige Investition in die Zukunft ist.


Herr Dr. Kurz, als die Multihalle zur Bundesgartenschau 1975 eröffnet wurde, waren Sie 12 Jahre alt. Erinnern Sie sich an Ihren ersten Besuch in der Halle?

Da will ich ganz ehrlich sein: Der Wasserspielplatz vor der Halle war für mich damals wohl am interessantesten – jedenfalls habe ich nur wenige Erinnerungen, die die Multihalle selbst betreffen. Sehr präsent ist für mich aber noch der Aerobus, der den Luisenpark mit dem Herzogenriedpark verband und direkt vor der Halle seine Haltestelle hatte.

Nach der Bundesgartenschau wurde die Multihalle für Veranstaltungen genutzt – unter anderem traten dort AC/DC auf. Haben Sie mal ein Konzert in der Multihalle erlebt?

Ich habe mir sagen lassen, dass AC/DC 1976 zusammen mit Richie Blackmores Band Rainbow in der Multihalle spielten – aber ich war damals zu jung und das war noch nicht meine Musik. 1978 habe ich Mother‘s Finest bei einer Rockpalast-Liveübertragung gesehen, die bald darauf in Mannheim waren – da war ich dabei. Das war aber im Musensaal des Rosengartens, mit dem sich eher musikalische Erinnerungen verbinden. Von Herbie Hancock bis zur Spliff Radio Show …

Sie waren aber schon sehr früh politisch aktiv. Waren Sie bei den Kundgebungen, die die Mannheimer SPD in der Multihalle veranstaltete?

Ja, meine früheste Erinnerung an die Multihalle ist tatsächlich eine Veranstaltung der SPD mit Herbert Wehner, der damals Fraktionsvorsitzender war. Das muss Ende der 70er Jahre gewesen sein. Ich weiß noch, dass die ganze Halle mit roten Stühlen bestückt war, und mich hat sehr beeindruckt, dass da mehrere Tausend Menschen zusammenkamen. Später dann, in den 80er Jahren, war der 1. Mai immer ein großer Tag in der Multihalle. Denn da lud der DGB zu stets sehr gut besuchten Kundgebungen in die Multihalle ein.

Wie bewerten Sie die Wiederentdeckung der Multihalle als bedeutendes architektonisches Baudenkmal?

Diese Wiederentdeckung der Multihalle ist in den letzten zwei bis drei Jahren sehr dynamisch verlaufen. Ich denke, in Mannheim ist es – gerade auch durch die überregionale und internationale Präsenz – sehr deutlich geworden, dass die Multihalle ein Baudenkmal von herausragenden Wert ist.

Der Karlsruher Architekturhistoriker Prof. Georg Vrachliotis und auch Baubürgermeister Lothar Quast haben die Multihalle kürzlich als „bedeutendstes modernes Baudenkmal der Stadt Mannheim“ bezeichnet. Teilen Sie diese Einschätzung?

Die Multihalle war von den Architekten Carlfried Mutschler und Frei Otto ursprünglich temporär und nicht auf Ewigkeit angelegt. Nicht nur ihre einzigartige Konstruktion, sondern auch ihre Vielseitigkeit, macht sie architektonisch zweifellos zum bedeutendsten modernen Baudenkmal unserer Stadt.

Der Charme der Multihalle ist ihre filigrane Struktur und ihre Raumwirkung. Welchen Eindruck vermittelt sie Ihnen?

Ich sehe die Multihalle als Landschaft, die von einer amorphen Struktur überwölbt ist. Durch ihre lichtdurchlässige Hülle und die Leichtigkeit des Materials bildet sie nach außen nur eine ganz zarte Raumgrenze aus. Dabei empfinde ich die kleinere Halle zwischen den Stegen architektonisch noch harmonischer – auch wenn die von Carlfried Mutschler entworfenen Betoneinbauten dort sehr mächtig wirken.

Die Sanierung der Dachkonstruktion der Multihalle wird mit fünf Millionen Euro vom Bund unterstützt. Weitere 9,2 Millionen kommen von der Stadt. Warum ist dieses Geld eine gute Investition?

Ich bin sehr froh darüber, dass sich der Gemeinderat im Juli 2019 mit großer Mehrheit für die Sanierung entschieden hat. Mit dem Gesamtbudget von 14,2 Millionen Euro sind wir nun in der Lage, dieses architektonische und ingenieurtechnische Meisterwerk zu erhalten und nachhaltig zu entwickeln. Seit der Gründung des Vereins Multihalle e.V. im Jahr 2016, nach zahlreichen Experten-Workshops und spätestens seit der Vorstellung des Projekts bei der 16. Architekturbiennale in Venedig, hat die architektonische Fachwelt auf diese Entscheidung gewartet. Auch bei der Mannheimer Bürgerschaft haben die Veranstaltungen durch die Ansprache und die Motivation von Akteuren aus der gesamten Stadtgesellschaft sehr gute Resonanz gefunden. Dieses Potenzial wollen wir nun weiter ausbauen.

Welcher inhaltliche Ansatz wird da verfolgt?

Die Offenheit des Baus spiegelt sich in der Offenheit der Bespielungen. Das kann man jetzt schon sehen. Der kulturelle Aspekt ist sicher stärker und zum Teil avantgardistischer als in der Vergangenheit. Neu ist die Vision von der Multihalle als einem „Living Lab“: als einem öffentlichen Raum, in dem auch experimentelle Ideen und Wissenschaft einen Ort der Diskussion finden.

Welche persönlichen Erwartungen knüpfen Sie an die Entwicklung der Multihalle?

Meine persönliche Erwartung und Hoffnung ist es nicht nur, diese außergewöhnliche Architektur zu erhalten. Mir ist es wichtig, aus der Multihalle einen „erfahrbaren Ort“ zu machen. Der internationale Ideenwettbewerb „Democratic Umbrella“ für junge Architekten hatte ja die Aufgabe, mögliche Nutzungen zu skizzieren. Die von der Fachjury ausgewählten drei gleichrangigen Preisträger haben neue interessante Anstöße gegeben – auch über die Idee hinaus, die Halle als schirmartiges Dach zu erhalten. Ich persönlich finde die Idee spannend, neue Baustrukturen zu schaffen wie beispielsweise durch die Unterbauung der Tribüne für Workshop-Räume. Interessant ist auch der Ansatz, die Umgebung der Halle mit zusätzlichen Nutzungen sinnvoll zu bespielen. Der Wettbewerb hat die Ursprungsgedanken Frei Ottos aktualisiert. Wie es konkret weitergeht, wird nun in einem mehrstufigen Workshopverfahren mit den Preisträgern erarbeitet. Auf die Ergebnisse bin ich sehr gespannt.

Während der Sanierungsphase wird auch ein Nutzungskonzept für die Zukunft entwickelt. Was ist da zu erwarten?

Schon in den beiden letzten Jahren ist mit vielfältigen Veranstaltungsformaten der Nachweis gelungen, dass die Multihalle als Veranstaltungsort trotz baulicher Limitierungen wie der Akustik vielfältig nutzbar ist. Insbesondere im Jahr 2019 haben wir das mit dem Veranstaltungsprogramm „Eutopia Multihalle“ sehr positiv erlebt. Mir hat sehr gefallen, dass hier so vieles möglich war: Ein Konzert von Konstantin Gropper und Ziggy Has Ardeur in Kooperation mit der Popakademie und dem Goetheinstitut, eine Theaterinszenierung im Rahmen der Schillertage, verschiedene Symposien, das Mitmachprojekt „Erde 2“ – und nicht zuletzt die erfolgreiche Sommerakademie „Werkstatt Multihalle“. Die Studierenden aus aller Welt haben gezeigt, dass die Multihalle eine ideale Plattform für experimentelles Denken und Bauen ist.

Wird es in Zukunft weitere Sommerakademien in der Multihalle geben?

Wir können uns das sehr gut vorstellen und die „Werkstatt Multihalle“ war ja auch der Startschuss eines Formats, das wir zukünftig als „Frei Otto Study Center“ in Kooperation mit dem KIT Karlsruhe und vielen internationalen Universitäten betreiben möchten. Es ist als eine wissenschaftliche Plattform geplant, in deren Fokus aktuelle Themen zu Gesellschaft, Urbanität, Wohnen, Nachhaltigkeit, Politik und Technologie stehen.

Und welche Rolle kann die Multihalle bei der BUGA 2023 spielen?

Nach der Sanierung soll die Multihalle rechtzeitig zur BUGA wiedereröffnet sein – und wird dann als eine Art Satellit eine ergänzende und sicher vielbeachtete Rolle im BUGA-Jahr spielen.

Herr Dr. Kurz, herzlichen Dank für das Gespräch.

 

Interview: Ralf Laubscher / LA.MAG
Fotos: Daniel Lukac

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